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Ergebnis fanatischen Hasses. Wegen zehn Mordtaten ist das überlebende NSU-Mitglied Beate Zschäpe in München angeklagt.

© dpa

Anwälte Heer, Stahl und Sturm: Zschäpe-Verteidiger sehen sich einer "Übermacht" ausgesetzt

Die Verteidiger der Angeschuldigten Beate Zschäpe stehen im NSU-Verfahren vor ihrer größten Herausforderung. Was sind das für Anwälte, die sich in diesen außergewöhnlichen Fall begeben?

Von Frank Jansen

Es wird ein gigantischer Prozess. Die fünf Angeklagten im NSU-Komplex werden von zehn Verteidigern vertreten, mehr als 50 Anwälte stehen für die Nebenklage der Angehörigen der Ermordeten sowie der Opfer, die den Terror verletzt überlebt haben. Die Anklage der Bundesanwaltschaft umfasst 488 Seiten. Es sind hunderte Zeugen zu befragen und zahllose Indizien zu bewerten. Dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München steht eine Hauptverhandlung von historischer Dimension bevor.

Angeklagt sind Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben, André E., Carsten S. und Holger G. Von den Verteidigern hängt ab, ob und wie sich die Angeklagten äußern. Was sind das für Anwälte, die sich in diesen außergewöhnlichen Fall begeben?

Einige Beispiele. Die Hauptangeklagte Zschäpe, der die Bundesanwaltschaft unter anderem Mittäterschaft an den zehn NSU- Morden vorhält, vertreten die smarten, relativ jungen Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Keine Sympathisanten von Neonazis, doch reizt der martialische Dreiklang der Nachnamen einige Medien zu ironischen Bemerkungen. Die Verteidiger aus Köln, Koblenz und Berlin nehmen es gelassen. „Man ist mental ruhig, man geht professionell an den Fall ran, das ist unser Beruf“, sagt Heer im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Aber die Arbeitsbelastung sei enorm – schon wegen der „Unmenge an Akten“ mit 300 000 Seiten.

Heer ist bislang der einzige Pflichtverteidiger Zschäpes. Stahl und Sturm warten noch auf die „Bestellung“. Angesichts des Umfangs hat Heer zunächst Stahl dazugenommen, dann Sturm. Sie hat einen unschätzbaren Vorteil. Sie kennt den Staatsschutzsenat und seinen grantigen Vorsitzenden Manfred Götzl aus einem Verfahren. Die Anwältin hatte in einem Prozess gegen acht junge Islamisten, denen Propaganda für Al Qaida vorgeworfen wurde, einen Angeklagten vertreten. Er kam mit 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit davon. Ein Erfolg für Sturm.

Alle drei Anwälte Zschäpes beklagen, sie seien einer „Übermacht“ ausgesetzt – bei der Bundesanwaltschaft, der bei den Ermittlungen von bis zu 400 Polizisten geholfen wurde, sowie in der Öffentlichkeit, „in der Zschäpe dämonisiert wird und eine Vorverurteilung stattfindet“, wie Heer sagt. Doch er und die Kollegen bleiben bei ihrer Linie: Zschäpe schweigt.

Das werde auch Ralf Wohlleben weiterhin tun, sagt seine in Karlsruhe sitzende Verteidigerin Nicole Schneiders. Laut Anklage war der Ex-NPD-Funktionär an der Beschaffung der Ceska-Pistole beteiligt, mit der Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Migranten erschossen. Schneiders kennt Wohlleben aus der Zeit, als sie unter ihm Vizevorsitzende des NPD-Kreisverbands Jena war. Die Mitgliedschaft in der NPD nennt Schneiders heute einen Fehler, doch ihre Kanzlei bleibt Zielscheibe der Antifa-Szene.

Als Co-Verteidiger hat Schneiders den Cottbuser Olaf Klemke geholt. Er verteidigte im Jahr 2000 einen Angeklagten im „Hetzjagd-Prozess“ am Landgericht Cottbus. Junge Rechte hatten Asylbewerber verfolgt, ein Algerier trat in Panik eine Glastür ein und verblutete. Im Prozess sagte Klemke, die Angeklagten hätten „Räuber und Gendarm“ spielen wollen.

Dann ist da noch ein Verteidigerveteran, Herbert Hedrich aus Berlin. Der 65-Jährige vertritt den mutmaßlichen NSU-Unterstützer André E. In Justizkreisen gilt Hedrich als „Leib-und-Magen-Anwalt“ der Hells Angels. Doch Hedrich war auch an anderen großen Verfahren beteiligt. So trat er als Verteidiger in den Berliner Prozessen zum mysteriösen Mord an dem linken V-Mann Ulrich Schmücker auf. Das Verfahren wurde schließlich eingestellt – nach 17 Jahren.

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